A PROPOS - Religion! von Emmo Diem Seit sich der Mensch in einem Auswahlverfahren über die Tierwelt erhoben hat, beobachtet er die Gegebenheiten der Natur. Er sucht sie zu ergründen, versucht sich anzupassen oder sich über die Natur zu erheben. Dabei spielen Bewunderung, Angst und Unterwerfung eine Rolle. Der Mensch sucht sich in den Ablauf der Zeit einzugliedern. Das ist etwa in dem Moment gegeben, wo er sich zu aufrechtem Gang erhebt, sich später an Flussläufen niederlässt und sesshaft wird. Parallel zur Sesshaftigkeit gesellt sich der Gebrauch von speziellen Werkzeugen, die nicht nur dem Lebensunterhalt und dem Krieg dienen, sondern auch der Befriedigung durch Kunstgegenstände, Schmuck und Kult, ehe nach Maßgabe der Fantasie die Völker auf der gehobenen geistigen Tribüne Platz nehmen. Das ist der Augenblick, wo Magie, Mythen und das persönliche Heil in Form einer Religion von den Menschen Besitz ergreift. Aus diesem Grund scheint vielen Menschen ein Leben ohne Religion undenkbar zu sein. Hans Martin Schoeps, ein christlich-jüdisch geprägter Gelehrter definierte das so: "Religion als Summe von Glaubensvorstellungen ist eine Wirklichkeit, die zwar durch Erfahrungen nicht beweisbar ist, für den Gläubigen aber zur unbedingten Gewissheit erhoben werden kann". Mit dieser Definition können die meisten Menschen leben. Nicht übersehen sollte man allerdings, dass seit Jahrhunderten fortschrittlich gesinnte Menschen an einem neuen Weltbild gearbeitet Keine Säkulare Kultur in Wien, 1934 haben, welche das bisher christliche Denken und Tun ernsthaft in Frage gestellt hat. Ich denke nur an die Geschichte von Galileo Galilei. Erst 1992wurde Galilei von der Römisch-katholischen Kirche formal rehabilitiert. Und jetzt soll er sogar eine "Ehrenpforte" im Vatikan erhalten. Lucius Caecilius Firmianus, von Hieronymus "Lactantius" genannt, war ein bekannter Rhetoriker, der an der Wende vom 3. zum 4. nachchristlichen Jahrhundert lebte. Dieser Theologe verteidigte das Christentum in vielen Schriften und wird der "christliche Cicero" genannt. Derselbe leitete den Begriff Religion vom lateinischen Verbum "religare" (binden) ab. Das ist zum Beispiel für Verena Löser zu wenig. Denn diese begriffliche Sicht trifft nur für jene Gottheit zu, die einen Bund mit dem Menschen schließt. Sie trifft für Judentum, Christentum und Islam zu, aber zum Beispiel nicht für die "Weisheitsreligionen" des Buddhismus, weil dieser nicht im übernatürlichen Bereich wurzelt. Ich komme zum Wert säkularer Weltanschauungen und zum Wert Kirchen- und Religionskritik generell. Noch immer unterdrücken die Kirchen jede Form von selbständigem Denken. Ich denke im Besonderen an Frau Dr. Heinemann, die wegen Missachtung der jungfräulichen Empfängnis Mariens bestraft wurde. Mit ihr fühle ich mich als Kirchen- kritiker speziell verbunden. Und ich denke daran, wie meine berechtigte Kritik in die Öffentlichkeit gelangen soll, wenn die Zeitungen von Redakteuren geleitet werden, die eine religiös orientierte Klientel oder einfach nur eine Masse von Taufschein-Christen nicht im Geringsten beunruhigen wollen. Ich finde es heutzutage bemerkenswert, wie in der sogenannten unabhängigen Presse seiten- und spaltenweise hohen Würdenträgern, Reformatoren, Schamanen und Mullahs Platz gegeben wird, Meinungen über den Staat zu vertreten. Bisher war man in Österreich der Meinung, dass Kirche und Staat getrennte Gewalten seien. Steigt denn die Kirche über Hintertüren wieder in das laufende, politische Geschehen ein? Keine Säkulare Kultur in Wien, 1965 |